Ausstellung Werner Rüefli
Mokka-Rubin
Vernissage 24. Januar 2019
Künstlerinnen und Künstler sind bekanntlich ganz spezielle Persönlichkeiten. Das gehört zu unseren Erwartungen, zu unseren berechtigten Erwartungen. Das Aussergewöhnliche kann sich auch im Habitus spiegeln, der nicht selten origineller ist als die Kunstwerke. Das ist bei Werner Rüefli nicht der Fall. Sein physischer Auftritt ist völlig unspektakulär. Er kommt uns heute so unauffällig entgegen wie damals, als er zwischen seiner zahnärztliche Praxis und dem Schöngrundquartier unterwegs war. Doch damit können wir den Bereich des Gewöhnlichen, der Konformitäten verlassen und uns Werner Rüeflis Kunst nähern, in die phantastische Welt des Ungewöhnlichen eintreten.
Oder noch einmal einen kleinen Schritt zurück. Natürlich ist auch die Kunstszene ein Spielplatz der Konformisten. Wer sich zum Beispiel an die im Augenblick herrschenden, schnell wechselnden Trends anlehnt, sich konform zeigt, kommt leichter zu Erfolg als der kompromisslos Eigenständige. Erfolgsversprechend ist auch, wenn man einen einmal gefundenen Stil hübsch weiterkultiviert, so dass auch Laien sofort merken, dass sie ein Werk von X oder Y vor sich haben. Solche Kunstschaffenden sind quasi mit sich selbst konform, allerdings auf äusserliche Weise. Dass Werner Rüefli hingegen den Signalen der Kunstszenen nicht folgt, dass er keine Selbstrepetition zelebriert, muss ich Ihnen gegenüber nicht betonen.
Es ist leichter zu erklären, was der Künstler Werner Rüefli nicht ist, als was er ist. Er malt zum Beispiel Landschaften, aber er ist kein Landschaftsmaler. Er malt Tiere, ist aber kein Tiermaler. Er schafft wunderbare Skulpturen, kann aber nur als Bildhauer bezeichnet werden, wenn man gleichzeitig darauf verweist, dass er auch malt, zeichnet, radiert, modelliert. Er beschäftigt sich mit organischen Formen, aber auch mit der Geometrie. Das Handwerkliche bedeutet im viel, aber er ist natürlich kein blosser Kunsthandwerker. Er liebt das Schwarzweiss, aber ebenso die bunten Farben. Er schafft ständig Neues, Niegesehenes, das aber in der Tradition verwurzelt ist, also uralt ist.
Verwurzelt in der Tradition. Das gilt ganz besonders für die alte ostasiatische Bildkultur. Während mehr als 15 Jahren belegte Werner Rüefli Wochenkurse in koreanischer Tuschmalerei bei Kwang Ja Yang an der Zürcher Kunsthochschule. Das ist kein biographisches Detail, sondern ein Schlüssel zu seiner Kunst. Hätte er diese Kurse besucht, wenn ihn nicht die östliche Geisteshaltung, die Philosophie angesprochen hätte? Diente das Üben mit seinem Lehrer nicht dazu, in diese Geisteswelt noch tiefer einzudringen?
Die östliche Kunst, wo sie ihr bedrohtes Östliches bewahrt hat, unterscheidet sich von der abendländischen vor allem durch das Ego-Selbstverständnis. Der Künstler ist viel weniger wichtig als das Werk. Mehr denn je gilt bei uns, sich als Person wichtig zu machen. Was nun ein Vision Clearance Engineer ist, war einst ein Fensterputzer. Und der Hauswart heisst heute Facility Manager. Noch viel schlimmer geht’s in den sozialen Medien zu und her. Das Unwichtigste ist nie unwichtig genug um es nicht seinen Followern mitzuteilen. Die Wichtigtuerei ist unterdessen sicher auch in Ostasien angekommen; aber Werner Rüefli bezieht sich auf ein anderes Asien. Eines der individuellen Demut. Ein Begriff, der beim ersten Hören nicht so recht zu einem andern, für Werner Rüefli nicht minder wichtigen, passt: die Ambition. Wer riesige Bilder malt, wochenlang an einer Figur oder einem Stierenkopf meisselt, sich mit Techniken beschäftigt, die unendlich viel Geduld verlangen, muss Ambitionen haben, die dem feu sacré immer wieder neu Holz ins Feuer schieben. Demut und die Ambition des Perfekten sind nur scheinbar Widersprüche, das zeigen die alten Meister Ostasiens.
Werner Rüeflis Werk ist mittlerweile so umfassend, dass man vielleicht versucht wäre, ihn mit dem Satz «Du bist aber fleissig» zu loben. Diese Anerkennung wäre aber beleidigend. Fleissig kommt bekanntlich von Fleiss, hat mit westlichem Arbeitsethos viel zu tun. Werner Rüeflis Arbeit gleicht aber eher einer selbstvergessenen Meditation. Arbeit ist Aktivität, Meditation Passivität. Das scheinbar Gegensätzliche des Aktiven und Passiven gleicht sich hier aus. In der chinesischen Literatur wird von einer Begegnung von Konfuzius mit Yan Hui berichtet.
«Ich mache Fortschritte.»
«Wie das», fragte Konfuzius.
«Ich sitze im Vergessen», antwortete Yan Hui.
«Was willst Du damit sagen?» fragte Konfuzius neugierig.
«Ich lasse meine Gliedmassen fahren, entlasse Blick und Gehör, verlasse Körper und Bewusstsein und bin vollkommen gelöst. Das nenne ich im Vergessen sitzen.»
Da erklärte Konfuzius: «Wenn Du alle Fesseln los bist, hast Du keine Vorlieben mehr. Wenn Du allen Verwandlungen der Wirklichkeit folgst, bist Du völlig unbefangen. Du bist ein Weiser geworden. Erlaube, dass ich nun Dein Schüler werde.»
Es mag sein, dass Werner Rüefli noch nicht ganz so weit ist wie Yan Hui.
Ich zitiere Werner Rüefli, er sagt: «Ich suche keine Spiegelung, keine Reflexion – ich versuche mich nur dem Schauen zu öffnen, der Hingabe an die Kräfte des Unbekannten.»
Also:
– Es geht in seiner Kunst nicht ums Abbilden, ums Spiegeln. Es geht ums autonome zwei- oder dreidimensionale Bild, darum, etwas zu schaffen, dass es in der realen Welt bis jetzt nicht gab
– Es geht auch nicht ums in der abendländischen Kunst so wichtige Erzählen. Werner Rüefli redet gern über sein Arbeiten, die Entstehungsprozesse. Weniger gern über seine Arbeiten. Die sollen für sich sprechen, leise. Uns Ahnungen von seinen Zielen einflüstern. Das Narrative überlässt er der schreibenden Zunft.
– Die Hingabe an die Kräfte des Unbekannten sucht er. Er sagt nicht: Ich zeige die Kräfte des Unbekannten, sondern ich versuche sie zu zeigen. Das ist die Demut. Und die Ambition: Er wagt sich an etwas, das kaum zu erreichen ist. Unbekanntes, Unbegrenztes sichtbar machen, mit begrenzten Mitteln, im begrenzten Zeitraum, der einem Menschen zur Verfügung steht.
Ein hohes Ziel.